Mein Name ist Paul Kleinefeld, 25 Jahre alt, und ich habe dieses Jahr meinen Bachelor in Psychologie abgeschlossen. Derzeit setze ich mein Studium im Master fort und arbeite seit fast einem Jahr als Werkstudent bei eurosysteam. Meine Tätigkeit hat mein Interesse an der Verbindung zwischen Psychologie und der Entwicklung von Führungskräften und Organisationen verstärkt. In meiner Bachelorarbeit beschäftigte ich mich daher mit der Frage, wie stark die Persönlichkeit eines Menschen die Zufriedenheit am Arbeitsplatz beeinflussen kann. Gerade in unserer heutigen, dynamischen Arbeitswelt wird Arbeitszufriedenheit als ein zentraler Erfolgsfaktor gesehen. Sie beeinflusst die Motivation und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden und spielt eine wichtige Rolle für ihre Bindung ans Unternehmen. Aber wie genau wirkt sich unsere Persönlichkeit darauf aus, ob wir uns bei der Arbeit wohlfühlen? Um diese Frage zu beantworten, habe ich die Beziehung zwischen den sogenannten Big Five-Persönlichkeitsmerkmalen und der Arbeitszufriedenheit untersucht.
Die Bedeutung der Big Five für die Arbeitszufriedenheit
Die Big Five-Persönlichkeitsmerkmale – Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit – sind in der Persönlichkeitspsychologie fest verankert und gelten als eines der etabliertesten Modelle zur Beschreibung und Messung von Persönlichkeit. Sie entstanden aus jahrzehntelanger Forschung, basierend auf der sogenannten „lexikalischen Hypothese“. Diese Hypothese besagt, dass sich wichtige Unterschiede in der Persönlichkeit in der Sprache widerspiegeln und sich über verschiedene Kulturen hinweg in ähnlichen Begriffen wiederfinden lassen. Diese Merkmale wurden in zahlreichen Studien mit dem Verhalten und Empfinden von Menschen im Arbeitskontext in Verbindung gebracht. Doch wie genau wirken sich diese Persönlichkeitsmerkmale auf die Zufriedenheit im Job aus?
Neurotizismus: Menschen mit hohen Neurotizismus-Werten neigen dazu, Stress und negative Emotionen intensiver zu erleben. In meiner Studie zeigte sich eine auffallend negative Korrelation (-0,45) zwischen Neurotizismus und Arbeitszufriedenheit. Das bedeutet, dass Personen mit hohen Neurotizismus-Werten tendenziell unzufriedener mit ihrer Arbeit waren. Diese Menschen empfinden Unsicherheiten und Stress am Arbeitsplatz stärker, was ihre Zufriedenheit deutlich beeinträchtigen kann. Dies stimmt mit früheren Forschungen überein, die nahelegen, dass neurotische Personen ihre Arbeitsumgebung häufiger als belastend wahrnehmen und oft Schwierigkeiten haben, konstruktiv mit Herausforderungen umzugehen.
Extraversion: Extravertierte Menschen sind in der Regel gesellig, energisch und durchsetzungsfähig. Sie suchen oft aktiv den Kontakt zu anderen und haben eine positive Einstellung gegenüber neuen Erfahrungen. Allerdings zeigte meine Studie keine signifikante Korrelation zwischen Extraversion und Arbeitszufriedenheit, was überraschen mag. Möglicherweise hängt dies mit der Art des Arbeitsplatzes zusammen: Extraversion könnte besonders in Berufen, die soziale Interaktion erfordern, eine stärkere Rolle spielen, während sie in isolierten oder strukturierten Arbeitsumgebungen weniger Einfluss auf die Zufriedenheit hat.
Offenheit für Erfahrungen: Personen mit hohen Offenheitswerten sind neugierig, kreativ und aufgeschlossen gegenüber neuen Ideen. Auch hier zeigte meine Untersuchung keine signifikante Verbindung zur Arbeitszufriedenheit. Dies könnte daran liegen, dass Offenheit als Persönlichkeitsmerkmal vor allem in kreativen Berufen oder in Umfeldern, die Flexibilität und Innovation fördern, eine Rolle spielt. In standardisierten und weniger flexiblen Arbeitsumgebungen scheint Offenheit für Erfahrungen weniger relevant für die Zufriedenheit zu sein.
Gewissenhaftigkeit: Dieses Persönlichkeitsmerkmal beschreibt Menschen, die organisiert, zuverlässig und diszipliniert sind. Gewissenhaftigkeit zeigte eine moderate positive Korrelation (0,38) zur Zufriedenheit am Arbeitsplatz, was bedeutet, dass gewissenhafte, organisierte und zuverlässige Personen häufig zufriedener mit ihrer Arbeit sind. Solche Personen neigen dazu, sich in ihre Aufgaben einzubringen und ihre Ziele konsequent zu verfolgen. Dadurch erleben sie oft ein Gefühl der Erfüllung und erhalten positive Rückmeldungen von Mitarbeitenden, was ihre Zufriedenheit steigern kann. Gewissenhaftigkeit wurde in verschiedenen Studien als verlässlicher Prädiktor für beruflichen Erfolg beschrieben und scheint auch im Zusammenhang mit der Arbeitszufriedenheit eine wichtige Rolle zu spielen.
Verträglichkeit: Verträgliche Menschen zeichnen sich durch ihre Freundlichkeit, Kooperationsbereitschaft und ihren Altruismus aus. Sie pflegen positive Beziehungen und gehen Konflikten häufig aus dem Weg. Auch hier bestätigte sich in meiner Arbeit ein positiver Zusammenhang zur Arbeitszufriedenheit (0,29). Verträgliche Personen erleben oft harmonische und unterstützende Arbeitsbeziehungen, die ihre Zufriedenheit fördern. Studien zeigen, dass gerade in Teams eine hohe Verträglichkeit der Mitarbeitenden zu einer besseren Zusammenarbeit und damit auch zu einer höheren Zufriedenheit beiträgt.
Methodik meiner Studie
Um die Zusammenhänge zwischen Persönlichkeit und Arbeitszufriedenheit genauer zu untersuchen, führte ich eine quantitative Analyse mit 78 Teilnehmern durch. Die Teilnehmer füllten einen Online-Fragebogen aus, der sowohl ihre Big Five-Persönlichkeitsmerkmale als auch ihre Arbeitszufriedenheit erfasste. Die Stichprobe umfasste eine diverse Gruppe von Menschen mit unterschiedlichen Beschäftigungsstatus: Studierende stellten die größte Gruppe dar, gefolgt von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten sowie einer kleineren Gruppe von Selbstständigen und Arbeitslosen. Auch die Branchen, in denen die Teilnehmenden arbeiteten, waren vielfältig: Der Gesundheitssektor war am stärksten vertreten, gefolgt von den Bereichen Dienstleistungen, Bildung und Wissenschaft sowie weiteren Branchen wie IT, Kommunikation und öffentlicher Dienst. Alle Teilnehmenden gaben an, in den letzten 12 Monaten berufstätig zu sein.
Zur Auswertung nutzte ich die Pearson-Korrelationsanalyse, um die Beziehungen zwischen den einzelnen Dimensionen der Big Five und der Arbeitszufriedenheit statistisch zu bestimmen. Die Ergebnisse meiner Analyse deckten sich größtenteils mit den bestehenden Theorien und Forschungsergebnissen, was darauf hindeutet, dass bestimmte Persönlichkeitsmerkmale tatsächlich starke Indikatoren für die Zufriedenheit im Job sind.
Erkenntnisse und praktische Anwendungsmöglichkeiten
Was bedeuten diese Erkenntnisse nun für die Praxis? Für Unternehmen und Personalverantwortliche bieten die Ergebnisse interessante Ansätze, um die Arbeitszufriedenheit ihrer Mitarbeitenden zu verbessern. So könnten beispielsweise gewissenhafte Personen gezielt in Aufgaben eingebunden werden, die ein hohes Maß an Struktur und Organisation erfordern. Führungskräfte könnten neurotische Mitarbeitende mit speziellen Angeboten zur Stressbewältigung unterstützen, um deren Zufriedenheit und Belastbarkeit zu erhöhen. Verträgliche Personen könnten für Teamarbeit und kooperative Projekte gefördert werden, da ihre soziale Orientierung und ihr Harmoniebedürfnis hier besonders zur Geltung kommen.
Für mich persönlich war diese Bachelorarbeit eine spannende Reise in die Welt der Arbeitspsychologie. Ich habe nicht nur viel über wissenschaftliches Arbeiten und die Methodik der Forschung gelernt, sondern auch einen Einblick in die tiefe Bedeutung von Persönlichkeit für den Berufsalltag gewonnen. Die Frage, wie wir durch ein besseres Verständnis unserer Persönlichkeit nicht nur zufriedener, sondern auch erfolgreicher in unserem Job sein können, bleibt für mich hochaktuell und spannend.