Arbeitszufriedenheit à la Beppo Straßenkehrer

Peter Fischer

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Seit Jahrzehnten beschäftigen sich Menschen mit der Frage, wie man Arbeitszufriedenheit steigern kann. Geschrieben wurde schon viel dazu. Vor 50 Jahren sogar schon von einem deutschen Schriftsteller, den viele als Bestseller-Autor von Kinderbüchern kennen.

Michael Ende über Arbeitszufriedenheit

1973 veröffentlichte Michael Ende (Jim Knopf, Unendliche Geschichte) das Buch „Momo“. Es ist ein Million-Seller und Klassiker, den viele gut kennen. Im Roman kämpft das Mädchen Momo, deren „Superkraft“ das Zuhören ist, gegen eine Übermacht von Zeit-Dieben, den sogenannten grauen Herren. Diese rauben den Menschen einer italienischen Kleinstadt ihre Lebenszeit, indem sie ihnen vorrechnen, wo sie überall Zeit verschwenden.

Ob das Buch ein märchenhaftes Kinderbuch oder ein gesellschaftskritisches Werk oder beides ist, lasse ich hier unbeantwortet. Mir fällt aber auf, wie aktuell und relevant dieses Buch in seinem Jubiläums-Jahr 2023 noch ist. Aus unzähligen Gesprächen mit Führungskräften weiß ich, wie gehetzt sich viele fühlen. Tage werden in halbstündige Slots filetiert, Pausen gibt es kaum, gegessen wird im Meeting, Gelegenheit zur Reflektion oder für Entspannung bleibt auf der Strecke. Stress ist permanent und Burnout droht.

Die digitale Transformation bringt uns seit Jahrzehnten (von der E-Mail zum Video-Call) eine Beschleunigung, an der die grauen Herren ihre Freude hätten. So würde es zumindest ein Kultur-Pessimist beschreiben. Dass uns die Digitalisierung aber auch das Home-Office und viele andere Erleichterungen beschert hat, wäre Teil einer optimistischeren Sichtweise.

Definition von agilem Arbeiten?

Eine Gänsehaut bekam ich aber, als mir auffiel, dass Michael Ende bereits 1973 auf einer halben Seite Themen abräumt, die uns heute noch beschäftigen, während er nebenbei noch eine kluge – wenn auch sehr generische – Definition von agil abliefert. Er schreibt darüber, was es heisst, agil zu arbeiten, im Moment zu sein, Stress zu vermeiden, Selbstwirksamkeit zu erleben und Burnout-Prävention zu betreiben. Alles hoch aktuelle Themen in unserer aktuellen Arbeitswelt.Die Erklärung liefert Momos Freund in einem Gespräch, bei dem sie fast nur zuhört. Der folgende Abschnitt stammt also aus dem Buch „Momo“ von Michael Ende, es spricht die Figur „Beppo Straßenkehrer“.

„Siehst du, Momo“, sagte er dann, „es ist so: Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich.
Man denkt, die ist so schrecklich lang; das kann man niemals schaffen, denkt man.“

Er blickte eine Weile schweigend vor sich hin, dann fuhr er fort:
„Und dann fängt man an, sich zu beeilen. Und man eilt sich immer mehr.
Jedes Mal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was noch vor einem liegt.
Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst, und zum Schluss ist man ganz außer Puste und kann nicht mehr.
Und die Straße liegt immer noch vor einem. So darf man es nicht machen.“

Er dachte einige Zeit nach. Dann sprach er weiter:
„Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du?
Man muss nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich.
Und immer wieder nur an den nächsten.“

Wieder hielt er inne und überlegte, ehe er hinzufügte:
„Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.“

Und abermals nach einer langen Pause fuhr er fort:
„Auf einmal merkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat.
Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht außer Puste.“

Er nickte vor sich hin und sagte abschließend:
„Das ist wichtig.“