Innovatives Moderations- und Lern-Format: Der App-Space

Peter Fischer

Zur Blog-Übersicht

Bei dieser Innovation handelt es sich um eine von eurosysteam entwickelte Methode, die für Konferenzen, Trainings und für die Arbeitsorganisation genutzt werden kann. Die Methode ist einfach in der Anwendung, stärkt Selbstorganisation und Eigenverantwortung und erzeugt maximales Engagement aller Beteiligten. Wir nennen diese Methode „App-Space“. Sie hat Ähnlichkeiten mit den bekannten Moderationsformaten Open-Space und Barcamp, ist aber als eigenständige Methode entwickelt worden. Über diese Methode gelingt es, ein innovatives, zeitgemäßes Personalentwicklungsprogramm für Führungskräfte zu gestalten. Das entspricht und belebt in seiner Wirkungsweise die Schlagworte ‚New Leadership‘ und ‚Agilität‘ durch selbstorganisiertes Lernen und Arbeiten mit Sinn und Inhalt.

Insgesamt können 10 Faktoren (Innovationen) beschrieben werden, die unsere Methode von bisher bekannten unterscheidet:

Der Rahmen
Der App-Space bekommt eine inhaltliche Überschrift. Natürlich hat der Einsatz eines Moderations-Formats immer einen Kontext und eine Sinngebung, die sich vom Gastgeber in eine Überschrift übersetzen lässt. Als generelles Thema des App-Space liefert diese Überschrift den inhaltlichen Bezugsrahmen. Der strukturelle Rahmen, also Location, Räume, Ausstattung und Catering wird ebenfalls vom Gastgeber definiert. Die Vorbereitung eines App-Space beschränkt sich auf diese zwei Rahmen.

Die Apps
Die namensgebenden Elemente haben wir Apps genannt, weil wir eine Veranstaltung wie das Betriebssystem eines Smart-Phones betrachtet haben, auf dem bestimmte Anwendungen bereits vorinstalliert sind, viele weitere aber von jedem Benutzer individuell durch Download zusammengestellt werden können. Eine App ist das Zusammenkommen einer Teilgruppe für einen bestimmte Zeit, also eine Kleingruppenarbeit oder eine Break-Out-Session. Apps werden in Form von Karten (besser Haftnotizen) visualisiert.

Der App-Space ist eine spezielle Wand oder Tafel, auf der die Apps in ein Raster aus Uhrzeiten und Räumen eingetragen werden. Darüber hinaus ist „App Space“ auch die Bezeichnung für die gesamte Methode.

Innovation 1: Keine Rollen
Im Format „App Space“ gibt es keine definierten oder zugeordneten Rollen. Menschen haben mit ihren Fähigkeiten zur sozialen Interaktion ohnehin alles, was sie brauchen, um effektiv zusammen zu arbeiten. Wenn sich jeder seinem Anliegen und Kompetenzen entsprechend einbringen, braucht es keine Rollen.

Als ungewöhnlich hervorzuheben ist dabei, dass auch eventuell anwesende Moderatoren, Trainer, Keynote-Speaker, Chefs oder andere Amtsträger kein besonderes Mandat oder eine spezifische Rolle haben. An die Stelle von zu erfüllenden Rollen tritt individuelles, eigenverantwortliches Verhalten. An dieser und an vielen weiteren Stellen wird klar, dass das Format ein hohes Maß an sozialer Reife und Eigenverantwortung voraussetzt – diese aber auch massiv verstärkt.

Innovation 2: Jeder kann eine App anbieten
Aus dem oben beschriebenen Weglassen von festgelegten Rollen resultiert auch, dass jeder Anwesende eine App anbieten kann. Die Unterscheidung von Teilnehmern und Moderatoren, Gastgebern, Experten wird komplett aufgehoben. Wer eine App anbieten will, schreibt den selbstformulierten Titel der App zusammen mit seinem Namen auf eine Moderationskarte oder einen Klebezettel.

Innovation 3: Apps kann man auch wünschen.
Im Unterschied zu anderen selbstorganisierten Konferenzen kann sich ein Teilnehmer auch eine App wünschen, ohne sie selbst anbieten zu müssen. Der App-„Marktplatz“ ist also nicht nur von eigenem Angebot, sondern auch durch Nachfrage bestimmt. Über eine gewünschte App kann ein Teilnehmer zum Ausdruck bringen, zu welchem Thema er gerne einen Input, einen Vortrag oder eine Übung hätte. Dass es eine App-Anfrage ist, vermerkt er ebenfalls auf seiner Karte

Innovation 4: Alles kann eine App sein.
Die möglichen Formen einer App sind sehr vielfältig: Es kann klassische Formate geben, wie Impulsvorträge, Key-Notes, Präsentationen, Diskussionen, Brainstormings oder eher ungewöhnliche wie Rollenspiele, Aufstellungen, kollegiale Fallberatung, integrative Entscheidungsfindung, Video, Design Thinking, Serious Play, etc.

Auch darüber hinaus können letztlich sämtliche Aktivitäten von einzelnen und Kleingruppen ein App darstellen: Lektüre von Fachliteratur, Schreiben von Artikeln, Erstellen von Präsentationen, Sport, Meditationen, Spaziergänge, Einzel-Coachings, Exkursionen. Sogar das Mittagessen kann als App in das Raster eingetragen werden, um zu symbolisieren, dass auch das nur eine wählbare Option ist.

Innovation 5: Meta-Apps
In den meisten Veranstaltungen wird nur das Thema selbst behandelt. Durch die Aufhebung von klassischen Rollen fordert der „App-Space“ aber auch dazu auf, auf der Meta-Ebene über die Veranstaltung selbst und die Teilnehmer zu sprechen. Solche Meta-Apps könnten also sein: Feedback zur Veranstaltung, Planung einer Folge-Veranstaltung, Konzeption von Apps für den weiteren Veranstaltungsverlauf. Eine eventuelle Entscheidungsabsicht sollte klar kommuniziert sein, dann kann sie in der App von den Anwesenden getroffen werden.

Innovation 6: Der App-Pool
Anstatt sofort einen Platz im App-Space damit zu füllen, wird eine Karte zunächst in den App-Pool gehängt. Der Pool ist eine weitere Wand oder Tafel in unmittelbarer Nähe des App-Space (ca. 5 Meter entfernt). Hier sammeln sich also Angebote und Wünsche von Apps und auch dieser Pool ist in ständigem Wandel. Apps werden hinzugefügt, abgearbeitet, zurückgezogen, umformuliert, fusioniert, nach-nominiert, an andere Paten übergeben. Alles ist erlaubt.

Innovation 7: Dynamik im App-Space
In ähnlicher Dynamik befindet sich der App-Space, also das Raster aus Räumen und Uhrzeiten. Zu Beginn der Veranstaltung wird der App-Space nicht komplett gefüllt, sonder nur die erste Zeitphase. Die Planung geht also nur so weit man planen muss, um starten zu können. Da sich die Bedürfnisse der Teilnehmer nach den ersten Apps schon wieder verschoben haben können, bleibt so die Freiheit bestehen, auf neue Impluse und neue Apps reagieren zu können.
Diese Dynamik bedeutet auch, das Apps im Extremfall auch überziehen können, bzw. sich in den nächsten Zeitslot hinein verlängern können. Oder dass sich aus einer App spontan eine Folge-App entwickelt. Oder das eine App spontan noch einmal wiederholt stattfindet

Innovation 8: Ergebnis-Board
Als dritte Wand neben App-Pool und -Space steht den Teilnehmern ein drittes Board zur Verfügung: Hier können Ergebnisse festgehalten und veröffentlicht werden.
Gerade in strategischen Konferenzen und Trainings mit hohem Umsetzungsanspruch ist das ein wichtiger Faktor. Dieses Board ersetzt auch das Vorstellen von Ergebnissen im Plenum. Teilnehmer einer App entscheiden selbst, ob sie etwas dokumentieren wollen. Wer erfahren will, was in einer App passiert ist, muss einfach nachfragen.
Da ein mögliches Feedback auch als App stattfinden würde, kann hier auch Veranstaltungsfeedback veröffentlicht werden.

Innovation 9: App Space in selbstorgansierten Trainings
Der vielleicht außergewöhnlichste Anwendungsbereich für den App-Space ist das klassische Training. Jeder Teilnehmer wird zum Trainer, Teilnehmer lernen von einander. Der (eventuell bestellte) Trainer stellt seine Angebote gleichberechtigt daneben.

Innovation 10: Skalierbarkeit hinein in den Arbeitsalltag
Der App-Space als Veranstaltung von 1 bis 3 Tagen richtet für die Apps meist Zeitfenster von minimal 45 bis maximal 90 Minuten ein. Aber das Format lässt sich auch ohne Probleme skalieren: Wenn die in den Zeilen notierten Zeitfenster nicht eine Stunde, sondern ein Tag oder eine Woche lang sind, dann verwandelt sich der App-Space in eine Form der Arbeitsorganisation ist plötzlich nah dran an Scrum, Kanban und Co.

Nachtrag: Wertschätzung an Vordenker und Entstehungsgeschichte
Wir sind begeistert von den Wirkungen, die unser Format derzeit in Trainings, Konferenzen und im Arbeitsalltag erzielt und sind daher stolz auf unsere Entwicklung, die natürlich auf bekannten Strukture aufsetzt. Unsere Innovation hat mindestens die folgenden konzeptionellen Grundlagen, die wir gerne und voller Dankbarkeit nennen:

  • Virginia Satir und ihre „Five Freedoms“
  • Harrison Owen und sein legendäres Format „Open Space“
  • Die Bar-Camp-Bewegung aus Palo Alto

Als systemische Berater haben wir immer aus dem Wirken von Virginia Satir Inspiration geschöpft, haben selbst etliche Open-Space-Konferenzen moderiert und auch an Bar Camps teilgenommen. Wir haben schon etliche Moderationsformate erfunden, erprobt und weitergegeben. Der App-Space ist das aktuellste.


Quellen: 

Bild: Shutterstock // illustration of people icons, think different, vector illustration // Fotograf: grmarc