Was ist los mit dieser Welt?

eurosysteam Office

Zur Blog-Übersicht

Gastbeitrag von Andrea Schmitt

Der Meta-Konzern (Mark Zuckerberg) beendet seine Programme zu Diversität, Gleichstellung und Inklusion. Donald Trump erkennt nur noch die Geschlechter Mann oder Frau an. Friedrich Merz findet das gut – hat er zumindest im TV Duell letzten Sonntag gesagt. Im Wahlkampf in Deutschland wird fast ausschließlich das Thema Begrenzung von Migration behandelt. In diesem Kontext wird aus meiner Sicht über geflüchtete Menschen nicht mit dem gleichen Respekt gesprochen wie über Menschen, die keine Flüchtlingsgeschichte haben. Was ist los mit dieser Welt? Ich dachte diese diskriminierenden Zeiten hätten wir längst hinter uns gelassen.

Wir waren doch schon auf einem guten Weg – mit Diversity und Anti-Diskriminierungsprogrammen in großen Firmen sowie Gesetzen wie dem „Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz“ von 2006 in Deutschland, der „Anti-Discrimination Directive“ der EU von 2000 und der „UN Charter of Human Rights“ von 1948.

Der Fairness halber muss ich an dieser Stelle anmerken, dass ich noch von keinem deutschen Unternehmen gehört habe, welches wie Mark Zuckerberg und Donald Trump ihr Anti-Diskriminierungsprogramm zurückfährt.

Im Gegenteil, erst letzte Woche haben die Chefs von Siemens, Mercedes-Benz und Deutsche Bank vor einer Zunahme von Fremdenfeindlichkeit in Deutschland gewarnt und sich für Vielfalt in der Gesellschaft und in ihren Unternehmen ausgesprochen.

Auch aus meiner persönlichen Arbeitspraxis kann ich bestätigen, dass sich deutsche Unternehmen aktiv für Vielfalt und Anti-Diskriminierung einsetzen. Ende 2024 habe ich für einen großen deutschen Konzern zusammen mit weiteren Trainerkollegen und -kolleginnen mehrere hundert angehende Führungskräfte in dem Thema Vielfalt, Gleichbehandlung und Inklusion geschult.

Unter anderem ging es in dem Training darum, sich zu verdeutlichen, wodurch Diskriminierung überhaupt entsteht: Wie kommt es zu Diskriminierung, obwohl Mitarbeitende und Führungskräfte nicht absichtsvoll Menschen in ihrem Umfeld benachteiligen wollen? Auch in diesem Newsletter möchte dieser Frage nachgehen.

Nun nach meinem Verständnis entstehen aus eigenen Privilegien Stereotype über die weniger Privilegierten, aus Stereotypen entwickelt sich eine unbewusste Voreingenommenheit (unconcious bias) und aus Voreingenommenheit kann wiederum Diskriminierung entstehen.

Jede Gesellschaft hält Privilegien für bestimmte Gruppen aufrecht. Diese sind in der vorherrschenden Religion der Gesellschaft, ihren Traditionen oder früheren Rechtsprechung verankert. Privilegien für die eine Gruppe bedeuten immer Nachteile und Diskriminierung für eine anderen Gruppe. Besonders kritisch wird es, wenn sich die Personen ihrer Privilegien nicht bewusst sind. Das führt dann oft dazu, dass sie gar nicht bemerken, dass sie den Teilen ihrer Gesellschaft, die diese Privilegien nicht genießen, eine unbewusste Voreingenommenheit (unconcious bias) entgegenbringen.

Privilegiert sind in Deutschland noch immer weiße, heterosexuelle, verheiratete, gebildete männliche Christen (oder inzwischen eher Atheisten) der Mittel- und Oberschicht.

Die Stereotypbildung für Menschen, die uns nicht so vertraut sind, ist evolutionär angelegt. Da wir leider mit Unbekanntem nicht gut klarkommen, bilden wir uns ein schnelles Urteil (eine Meinung) über alles, auch über das, was wir nicht kennen und nicht wissen. So entstehen fast immer Vorurteile, wenn wir Dinge, Sprache, Religionen, Vorlieben, Herkünfte, persönliche Geschichten nicht kennen. Hier beginnt das Problem! Meistens entstehen diese Vorurteile nämlich unbewusst. Sie haben zur Folge, dass wir einigen Menschen mehr zutrauen als anderen, meistens ganz ohne Grund und leider häufig unbewusst. Das hat zur Folge, dass wir unsere möglicherweise falschen Annahmen und das dadurch verursachte Verhalten nicht reflektieren und somit auch nicht korrigieren können. So entsteht unbewusste Diskriminierung. Für die diskriminierte Person macht es allerdings keinen Unterschied, ob die Diskriminierung absichtsvoll oder unbewusst passiert ist. Es gilt also immer Diskriminierungen zu verhindern!

Die Privilegierten (ich meine uns!) haben sich ihre Welt so eingerichtet, dass sie bequem für sie ist. Dabei haben sie implizit für diejenigen, die weniger privilegiert sind, systemische Barrieren aufgebaut. Beispiele für systemische Barrieren könnten sein:

  • Treppen überall
  • Nur christliche Feiertage sind freie Tage
  • Schönheitsideale durch Werbung und Social Media
  • Keine durchlässigen Schulsysteme
  • Westliche Wertevorstellungen
  • Alltagsroutinen: Arbeitszeiten, usw.
  • Sprache, die nur die männliche Form verwendet
  • Und tausend weitere Punkte


Man spricht von Inklusion, wenn es keine Barrieren mehr gibt und alle die gleiche Chance haben. Das System wird also für alle Menschen angepasst. Inklusion geht somit einen großen Schritt weiter als Integration, denn Integration bedeutet, dass sich z.B. eine marginalisierte Gruppe an das System der größeren Gruppe anpassen muss. Die marginalisierte Gruppe findet also systemische Barrieren vor, die sie erst mit sehr viel Anstrengung überwinden muss – oft gelingt es auch gar nicht.

Um uns dabei zu unterstützen, unsere unbewusste Voreingenommenheit besser zu erkennen, möchte ich hier sieben verschiedene Vielfaltsdimensionen aufführen:

  • Soziale Herkunft (Bildung, finanzielle Mittel)
  • Gesundheit oder Behinderung (physische und psychische)
  • Transkulturelle Vielfalt (geographische Herkunft, Hautfarbe, ethnische Herkunft)
  • Generationen Vielfalt (Alter)
  • Geschlecht
  • Religion oder Weltanschauung
  • Sexuelle Vielfalt und Identität


Diskriminierung kann am Arbeitsplatz, in der Behörde, beim Vermieten einer Wohnung, im Supermarkt, in der Kita, und noch an vielen weiteren Orten reduziert werden, wenn wir unsere unbewussten Urteile über uns nicht bekannte Ausprägungen der oben genannten Vielfaltsdimensionen bleiben lassen. Das ist zwar einfacher gesagt als getan, aber es lohnt sich.

Abschließen möchte ich mit drei Gründen, warum es sich lohnt Vielfalt, Gleichstellung, Inklusion und damit Anti-Diskriminierung in Unternehmen weiterhin zu fördern:

  1. Gesetze verpflichten Unternehmen, Behörden und Regierungen schon lange dazu (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Anti-Discrimination Directive und UN Charter of Human Rights).
  2. Demokratische Werte werden geschützt, Zusammenhalt einer Gesellschaft wird gefördert, da Ungleichheit reduziert wird.
  3. Es zahlt sich vor allem auch wirtschaftlich aus: weniger Krankentage bei den Mitarbeitenden, höhere Motivation durch Wertschätzung, stärke Innovationskraft, da Unterschiedlichkeit Kreativität im Team fördert, höhere Attraktivität auf dem Arbeitnehmermarkt und für den Wirtschaftsstandort im Ganzen.

Fazit: Vielfalt und Inklusion sind nicht nur ein ethisches Gebot – sie sind auch sozial und wirtschaftlich sinnvoll!

______________________

Bei diesem Text handelt es sich um einen Gastbeitrag. Die Autorin Andrea Schmitt veröffentlichte ihn zuerst in ihrem Newsletter „Innovation am Mittwoch“. Sie hat uns gestattet, ihren Text hier als Gastbeitrag erneut zu veröffentlichen.
Frau Andrea Schmitt ist nicht Teil der eurosysteam gmbh.