Ermutigung zu ehrlichem Feedback

Wie schaffe ich eine gesunde Feedback-Kultur oder wie ermutige ich mein Team, mir ehrliches Feedback zu geben?

So sehr wir auch glauben, unsere Stärken und Schwächen zu kennen, ohne Fremdbild und ein Verständnis dafür, wie sich das, was wir sagen und tun, auf andere auswirkt, werden wir unsere Gewohnheiten, Verhaltensweisen und Praktiken kaum hinterfragen, geschweigenden verändern. Diese externe Selbsterkenntnis erhalten wir dann, wenn wir andere (insbesondere diejenigen, die uns „unterstellt“ sind) bitten, uns mitzuteilen, wie sie uns erleben.

Vielleicht stellen wir dabei fest, dass unsere Kollegen:innen nicht bereit sind, uns das Feedback zu geben, das wir brauchen, um das, was funktioniert, zu verbessern oder sogar zu erhalten bzw. das was nicht funktioniert zu verändern.

Im Folgenden finden Ihr fünf der häufigsten Hindernisse, auf die Ihr stoßen könntet, wenn Ihr Feedback von Euren direkten Mitarbeitern:innen einholen wollt, und wie Ihr an diesen Hindernissen arbeiten könnt.

 

  1. Die Sorge der Mitarbeiter:innen, ob Ihr überhaupt offen für Feedback seid

Viel zu oft erwarten Teammitglieder, dass sie ein Feedback „von oben“ erhalten, aber wenn sie nicht ausdrücklich aufgefordert werden, ein Feedback „nach oben“ zu geben, werden sie nicht wissen, dass dies überhaupt zur Debatte steht.

Sagt Euren direkten Mitarbeitern:innen, dass Ihr nicht nur offen für Feedback seid, sondern dass Ihr es auch erwartet und wünscht. Eine Möglichkeit, dies zu formulieren, besteht darin, dass Ihr verbalisiert, dass Ihr Euch persönlich und beruflich verpflichtet habt, Euch selbst zu verbessern – und um Hilfe bei der Erfüllung dieser Verpflichtung bittet.

Fragt direkt: “Würden Sie mir bitte helfen, die Verpflichtung, die ich mir selbst gegenüber eingegangen bin, einzuhalten?” Auf diese Weise kann das Team sein Feedback als Hilfe bei der Einlösung eines Versprechens verstehen, dass Ihr Euch selbst gegenüber gegeben haben.

 

  1. Befürchtung, es (das Feedback) “richtig” zu machen

Geschicktes Feedback zu geben ist eine Fähigkeit, die erlernt werden muss. Wenn Eure Mitarbeiter:innen nicht gelernt haben, wie man es richtig macht – vielleicht, weil sie keinen Zugang zu Schulungen, Übungen oder Vorbildern hatten -, dann werden sie sich vielleicht weigern, es überhaupt zu tun.

Lasst Euer Team wissen, dass Feedback eine Fähigkeit ist, die man am besten durch Übung erlernt – eine großartige Gelegenheit, sich weiterzuentwickeln – und dass Ihr ihnen gerne die Gelegenheit geben möchtet, mit Euch zu üben. Versichert ihnen, dass sie es nicht “richtig” machen müssen. Sie müssen nur die Bereitschaft zeigen, es zu versuchen und sich mit der Zeit zu verbessern.

Es kann auch hilfreich sein, sie daran zu erinnern, dass das Erlernen jeder neuen Fähigkeit vier Phasen durchläuft:

  1. Unbewusste Inkompetenz (“Ich weiß nicht, dass ich nicht weiß, wie man das gut macht.”)
  2. Bewusste Inkompetenz (“Jetzt weiß ich, dass ich nicht weiß, wie man das gut macht.”)
  3. Bewusste Kompetenz (“Jetzt weiß ich, dass ich weiß, wie man das gut macht.”)
  4. Unbewusste Kompetenz (“Ich mache das gut, ohne darüber nachzudenken.”)

 

  1. Furcht vor Vergeltung

Machen wir uns nichts vor: als Führungskraft befindet man sich in einer Machtposition. Man hat Zugang zu Ressourcen, die für den/die Mitarbeiter:in wichtig sind. Das Team könnte befürchten, dass jeder, der Euch „konstruktives“ Feedback gibt, sich dadurch seine Zukunftschancen verbauen könnte. Darüber hinaus ist es in einigen Kulturen nicht üblich, Feedback “nach oben” zu geben. Es würde als respektlos und aufmüpfig angesehen werden. Seid Euch bewusst, dass diese kulturellen Normen ein erhebliches Hindernis darstellen können.

Zeigt Sie Einfühlungsvermögen und Demut. Versucht, etwas zu sagen wie: “Ich weiß, dass es sich unangenehm anfühlen kann, jemandem Feedback zu geben, der ein Mitspracherecht in Bezug auf Ihre Arbeit, Ihr berufliches Fortkommen usw. hat. Ich hatte die gleichen Bedenken, als ich meinem Chef Feedback gab. Lassen Sie mich Ihnen versichern, dass ich Ihre Bereitschaft, mir hilfreiches Feedback zu geben – auch wenn es negativ ist – als einen Ihrer beruflichen Vorteile betrachte. Ich weiß, dass ich besser werden kann, und das will ich auch.“

 

  1. Die Sorge, Gefühle zu verletzen

Ihr seid auch nur Menschen, oder? Und Feedback – vor allem, wenn es nicht geschickt gegeben wird – kann Gefühle der sozialen Ablehnung auslösen. Mitarbeiter:innen sind verständlicherweise besorgt, Euch und damit ggf. auch die Beziehung zu verletzen.

Zeigt, dass Ihr Euch Euer selbst bewusst seid, indem Ihr die Führung übernehmt und Euch selbst zuerst konstruktives Feedback gebt, was die Ängste des Teams mindern kann. Ihr könntet sagen: “Ich weiß, dass ich dazu neige, bei meiner Arbeit langsam und methodisch vorzugehen, und dass mir Genauigkeit oft wichtiger ist als Handeln. Andere haben mir mitgeteilt, dass sie meinen Arbeitsstil schwierig finden, vor allem wenn sie unter Zeitdruck stehen. Darin würde ich gerne besser werden. Würden Sie mir Ihre Erfahrungen mitteilen?” Und dann, wenn Ihr Euren Gegenüber zum Reden gebracht habt, könnet Ihr fragen: “Und gibt es noch etwas, das ich im Moment verbessern könnte, um Ihnen die Arbeit zu erleichtern?”

 

  1. Der Verdacht, dass sich aufgrund des Feedbacks nichts ändern wird.

Feedback zu geben ist schwierig, aber Feedback zu geben, das zu keiner Verbesserung führt, ist noch schwieriger. Das Einholen von Feedback, ohne darauf einzugehen und ggf. Maßnahmen zu ergreifen, untergräbt schnell das Vertrauen in Eure Aufrichtigkeit und Zuverlässigkeit.

Sagt Eurem Team, was Ihr mit dem Feedback zu tun gedenkt. Das kann zum Beispiel so aussehen: “Ich weiß es zu schätzen, dass Sie mir das gesagt haben – und ich bin mir nicht sicher, ob ich es jetzt angehen kann. Hier ist der Grund…” bis hin zu “Das ist sehr hilfreich, und ich werde Maßnahmen ergreifen, um dieses Verhalten zu ändern. Hier ist mein Plan…” Und in beiden Fällen solltet Ihr andere immer wieder aktiv, offen und selbstbewusst dazu auffordern, Ihnen Feedback zu geben.

 

Ein letzter Gedanke: So sehr Ihr auch glaubt, dass Ihr sichere und einladende Bedingungen geschaffen habt, damit Euer Team Euch Feedback geben kann, „bestraft“ es nicht dafür, sollte es trotzdem kein Feedback geben. Die Komplexität des Machtungleichgewichts, die Unterschiede zwischen dem, was das Team und Ihr als direkter Vorgesetzter als “sicher und einladend” ansehen, sowie frühere negative Erfahrungen, die andere beim Geben von Feedback evtl. gemacht haben (was nichts mit Euch zu tun haben muss), können es schwerer machen, als Ihr es Euch vorstellt.

Tut dennoch, was Ihr könnt, um sicherzustellen, dass Ihr das Feedback erhaltet, das Ihr für Euer Wachstum und Euren Erfolg benötigt. Kontinuierliches Lernen führt zu kontinuierlicher Verbesserung. Verpflichtet Euch, Euer Wissen, Eure Fähigkeiten und Euer Fachwissen zu erweitern… Seid lebenslange Schüler.

– Steffen Kubitzky