Nachhaltigkeitsmanagement – 8 Verantwortlichkeiten eines Chief Sustainability Officer

Steffen Kubitzky

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Ein Chief Sustainability Officer in allen deutschen Unternehmen?

15.000 deutsche Unternehmen werden mittelfristig direkt oder indirekt von den Standards und Auflagen zur ESG-Berichterstattung oder der Green Taxonomie der EU betroffen sein. Brauchen diese Unternehmen alle eine/n Sustainibility Manager:in eine/n CSO (Chief Sustainability Officer)?

Führung und Nachhaltigkeit als soziale Funktionen in Organisationen

Ein fester Bestandteil unserer Arbeit als systemische Beratung ist es Organisationen als soziale Systeme zu verstehen, deren Funktionsweise von Kommunikation, kulturellen Mustern, gegenseitigen Erwartungen und der Erinnerung an vergangene Entscheidungen determiniert wird.

Innerhalb dieser Systeme bewegen sich Rollenträger, die auf der offiziellen Vorderbühne der Organisation bestimmte Verantwortlichkeiten bzw. Funktionen übernehmen, hier mal als Beispiel Führungskräfte. Diese formale Rolle beinhaltet die Macht Entscheidungen zu treffen (mal mehr mal weniger) und die Erwartung an diese Rolle ist, dass der/die Inhaber:in für einen definierten Bereich der Organisation Verantwortung übernimmt, diesen und die Menschen die dort arbeiten „führt“.

Heißt das nun aber, das alle anderen Menschen in diesem Bereich (diejenigen, die die Rolle Führungskraft nicht innehaben) keine Verantwortung tragen und nicht führen? Das wäre eine sehr antiquierte tayloristische Sicht auf Organisationen und würde Mitarbeitende auf triviale passive Befehlsempfänger reduzieren und diese auf kurz oder lang auch dazu „erziehen“.

Natürlich macht es viel mehr Sinn, dass alle Menschen in einer Organisation mit Verantwortung übernehmen und Führung praktizieren, denn Führung ist eine soziale Funktion in einer Organisation, die nicht zwangsläufig an bestimmte Rollen gekoppelt sein muss (siehe selbst-organisierte Teams).

Kopple ich eine soziale Funktion zu eng an eine Rolle, schaffe ich Raum für Ausreden und Ausflüchte. „Warum soll ich führen, ich bin doch nicht Chef. Ich bin nur ein einfacher Mitarbeitender – der Chef soll entscheiden – ich mache Dienst nach Vorschrift…“.

Ganz ähnlich sehe ich das mit „der Nachhaltigkeit“. Die Verantwortung für dieses wichtige Thema an eine Person/Rolle zu koppeln (Chief Sustainability Officer), die idealerweise weit oben in der Hierarchie steht, hört sich sinnvoll an. Dann kümmert sich jemand darum, bekommt die formale Macht für Entscheidungen und treibt das Thema…

Ich kann dann aber immer auch mit dem Finger auf denjenigen zeigen und sagen: „Das ist nicht meine Baustelle, das ist doch seine/ihre Verantwortung… Soll er/sie mir doch sagen, wo es langgeht.“

Das haben wir schon einmal erlebt. Fragmentierung und mangelnde Klarheit sind üblich, wenn neue Funktionen eingeführt werden. Denken wir zum Beispiel an den Aufstieg des Chief Digital Officer oder des Chief Innovation Officer in den Führungsetagen in den letzten Jahren. Anfangs waren ihre Aufgaben und Zuständigkeiten nicht gut kodifiziert, was zu Verwirrung über die Verantwortlichkeiten, Fragmentierung und sogar zu Spannungen mit anderen sich überschneidenden Funktionen führte.

Dann geben wir den Job doch einem Fachbereich – wie wäre es mit HR? Auch eine Falle! Dann „nervt“ HR das Business mit noch mehr „weichen“ Themen, die erst einmal wenig Kopplung mit der Wertschöpfung zu haben scheinen – und das ist der Fokus in den meisten Business Units. Im Ernstfall überlagert die kurz-/mittelfristige Verantwortung fürs Business (die Zahlen müssen stimmen) immer wieder die langfristige Verantwortung für strategische – ggf. wenig greifbare – Themen.

Der richtige Mix ist entscheidend

Wie organisiere ich nun aber, diese wichtige Verantwortung in einer Organisation? Sie gleichermaßen allen zu überlassen, ohne Plan & Leitplanken ist auch kein erfolgsversprechender Ansatz.

Wie so oft ist es in meiner Erfahrung eine Mischung aus „good practices“:

  • Es braucht eine nachhaltige Geschäftsstrategie (nein keine „Nachhaltigkeitsstrategie“ als Parallelprodukt) – zu verabschieden von der Geschäftsleitung: welche Vision, welche Ziele verfolgen wir beim Thema Nachhaltigkeit und welche Handlungsfelder sind für uns als Organisation und aus Perspektive unserer Stakeholder & Kunden die relevantesten. Mehr dazu in diesem Blog-Beitrag: https://eurosysteam.com/nachhaltigkeit-als-teil-der-unternehmens-dna/
  • Dieser strategische Rahmen muss allen in der Organisation transparent und begreiflich gemacht werden (hier hilft ein begleiteter Kommunikationsprozess mit Workshops pro Bereich). Überall in der Organisation müssen die gleichen Botschaften ankommen und das gleiche Wissen und Grundverständnis entstehen.
  • Parallel dazu braucht es einen Sensibilisierungs-Prozess i.S. Aufklärung: was geht mich das Thema an / warum ist es wichtig (es gibt hier bereits tolle niedrigschwellige Lernangebote – digital mit Gamification-Ansatz, um Nachhaltigkeit leichtgängig in die Köpfe und Herzen einer Belegschaft zu transportieren).
  • Partizipation ist ein wichtiges Gewürz im Gesamtrezept. Bindet man die Belegschaft ein, erhöht das die Akzeptanz – z.B. bei der Priorisierung der strategischen Handlungsfelder (ggf. über die beim Nachhaltigkeits-Lernen erworbenen Credits).
  • Die Workshops im Kommunikationsprozess könnten genutzt werden, um mit den Mitarbeitenden in den einzelnen Bereichen konkrete Maßnahmen (Contributions) zu erarbeiten, die auf die strategischen Handlungsfelder einzahlen und im täglichen Tun von den Mitarbeitenden auch wirklich beeinflusst werden können.
  • Der Organisationsweite Ansatz könnte von einem „Nachhaltigkeits-Panel“ beobachtet und begleitet werden, in dem alle relevanten Funktionen/Bereiche einer Organisation vertreten sind, die „Aktien im Thema Nachhaltigkeit“ haben: HR, Finance, R&D… die Mitglieder dieses Panel könnten dann die CSO Funktion gemeinsam wahrnehmen.

 

Die acht Verantwortlichkeiten einer CSO (Chief Sustainability Officer) Funktion

Um die Nachhaltigkeitstransformation einer Organisation anzuführen, sollten CSO-Panels für alle der folgenden acht Punkte verantwortlich sein. Wir sind auf viele Organisationen gestoßen, die sich zu sehr auf die regulatorischen und rechtlichen Elemente oder die externe Kommunikation konzentrieren, aber z.B. die kulturellen Elemente oder den Aufbau von Fähigkeiten übersehen.

Sicherstellung der Einhaltung von Vorschriften
  • Antizipieren von regulatorischen Trends und deren Auswirkungen
  • die Einhaltung der Nachhaltigkeitsgesetze und -vorschriften
  • Bewertung des Risikomanagements
  • Interne Richtlinien einführen
ESG-Überwachung und Berichterstattung
  • Sammeln von Daten und Metriken gemäß den Berichtsstandards
  • Benchmarking mit Branchenkollegen
  • Fertigstellung und Kommunikation des ESG-Berichts des Unternehmens
Beaufsichtigung des Portfolios von Nachhaltigkeitsprojekten
  • Planung, Koordinierung, Überprüfung des Fortschritts und Verfolgung der Ergebnisse
  • Koordinierung verschiedener operativer Bemühungen
Verwaltung der Beziehungen zu den Interessengruppen
  • Förderung des ständigen Dialogs mit internen und externen Stakeholdern
  • konstruktive, transparente Beziehungen aufbauen
  • Beziehungen entwickeln
Aufbau von organisatorischen Fähigkeiten
  • Erkennen von Lücken
  • Ergreifen geeigneter Initiativen zur Weiterbildung
  • Beschaffung der fehlenden Fähigkeiten am Arbeitsmarkt
  • Identifizierung innovativer Wege zur Skalierung neuer Fähigkeiten
  • Teilen und Verbreiten von Wissen und bewährten Verfahren
Förderung des kulturellen Wandels
  • Ziele definieren und kommunizieren, um die Transformation voranzutreiben
  • Förderung von Mentalitätsveränderungen auf der Grundlage konkreter Verhaltensweisen
  • Etablierung von Routinen zur Verstärkung des Wandels, damit die Führungskräfte glaubwürdig „ihren Worten Taten folgen lassen“ können
Scouting und Experimentieren
  • Förderung der Offenheit gegenüber einem externen Innovationsökosystem
  • Erforschung aufkommender Nachhaltigkeitstechnologien, -lösungen und -praktiken
  • Anwendungstests und das Lernen aus Experimenten
  • Ausweitung der Übernahme in der breiteren Organisation
Einbettung von Nachhaltigkeit in Prozesse und Entscheidungsfindung
  • Überarbeitung von Schlüsselprozessen
  • Entwicklung von Kriterien/Metriken/Werkzeugen für Entscheidungsprozesse
  • Coaching von Entscheidungsträgern bei der Bewältigung komplexer Abwägungen

Eine diverse Besetzung des Panels ist wichtig, damit nicht jede Aufgabe nur im Hinblick auf den Umweltbereich formuliert wird (wie es oft geschieht), sondern auch die anderen Dimensionen der Nachhaltigkeit berücksichtigen. Betrachten wir als Beispiel “ Scouting und Experimentieren“: bei der Festlegung der Teilaktivitäten dieser Aufgabe sollten die Unternehmen nicht nur neue Technologien zur CO2-Reduzierung untersuchen. Man sollte auch neue Ansätze für die soziale Eingliederung der Zielgruppen des Unternehmens oder neue Modelle für eine transparentere und gerechtere Mitarbeitervergütung testen.

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Bildnachweis: K.I.-Tool „Midjourney“ mit dem Prompt: Minimalistic symbol of an advisory council that acts as Chief Sustainability Officer in a company.